Über den Atlantik

Kurz vor der großen Überfahrt

Die Versorgung für die Überfahrt in die Karibik ist in Mindelo nicht einfach. Da wir fast alles in Las Palmas eingekauft haben, brauchen wir hier nur noch frisches Obst und Gemüse. Das ist aber nicht leicht in einer guten Qualität zu bekommen. Vieles ist nicht wirklich frisch.

Der Wind bläst hier jetzt schon recht konstant mit 4-5 Bft aus NE-SE. Häufiger gibt es noch Böen, die bis zu zwei Windstärken höher sind. Wir haben hohe Bedeckung und der „kalte Wind“ sorgt dafür, dass wir schon leicht das Frieren anfangen.

Der Saharasand ist überall zu finden, zu spüren und ist nicht wirklich schön. Die Navigation ist soweit hergestellt, dass es losgehen kann.

Tag 8-22; fünfte Etappe

10.01.2015 Mindelo – Barbados

13:25 Leinen los,

Ernst und Angelika von der „Lulungomeena“ haben sich verabschiedet und wir schmeißen die Leinen los. Der Wind bläst immer noch recht gut, da wir im Kanal zwischen Sao Vicente und Santo Antao mit mehr Wind rechnen, setzen wir nur die Genua im 2. Reff. Es geht gut voran bis wir in die Abdeckung von Santo Antao kommen. Hier müssen wir eine Stunde motoren bis wir uns frei gefahren haben und der Passat uns ungehindert vorantreiben kann. Wir setzen das Groß nur bis zum 3. Reff und baumen die Genua mit dem Großbaum aus (ein Tipp von Milan, dem TO-Leiter in Mindelo). Die Sache funktioniert so gut, dass wir die Nacht und den nächsten Tag so weiter segeln.

Die Delfin-Shows finden auch wieder statt und bis auf das Rollen durch die Dünung ist alles bestens.

15.01.2015 Heute sind wir ein Drittel der Strecke gesegelt. Uns wurde immer vom Passatwind vorgeschwärmt „Er weht beständig mit 15-25kn aus NO bis E  und einmal die Segel gesetzt, bleiben sie die ganzen 2000sm bis in die Karibik in derselben Einstellung“. Der Wind hält sich aber nicht daran, wechselt häufiger und wir müssen doch öfter die Segel shiften als erwartet. Durch die langen und hohen Wellen empfinde ich die Manöver stressiger als in Küstennähe - der Kopf spielt Streiche -  Filme laufen ab was passieren könnte. Auch die gestern und heute anstehenden kleinen Reparaturen am Wassergenerator und Wassermacher sind ungewohnt. Beim Wassergenerator ist seit gestern mehrmals der Niederhalter gerissen, der das Gerät unter Wasser fixiert. Irgendwie schamfielt eine Stelle an der Leine. Austausch der Leine heißt für uns neben der Rettungsweste auch den Lifebelt anzulegen, angeleint steht Torsten auf der Badeplattform mit den Füßen im Heckwasser, ich hangle mich vom Heck mit dem Oberkörper runter zum Generator und zu zweit tauschen wir das Seil. Eigentlich nicht so wild, aber der Kopf denkt „ na ja, wildes weites Meer und HiTo hängen halb im Wasser….“

Der Wassermacher verschluckt sich und saugt Luft an, wenn wir auf Backboard-Bug segeln und das Heck von den hohen Wellen hochgeschubst wird. Wir fangen an Wasser zu sparen, nix da, mit täglichen Duschorgien, habe heute nur mit 3 l aus dem Sondervorrat des Wasserschlauches geduscht. Torsten will mit dem Duschen warten bis es regnet, was wohl erst in Karibiknähe wahrscheinlich ist. Langeweile haben wir echt nicht….

16.01.2015 Juhu -  der erste richtig warme Tag. Morgens um 10:00 schon 26°,  Sonnenschein und blauer Himmel.

Niederhalter am Wassergenerator hält, Wassermacher läuft auf dem Steuerboard Bug super, bald ist der Tank wieder gefüllt und die Wassersparvorsichtsmaßnahmen sind vergessen.

Karibik, wir kommen!! Haben die Hälfte der Strecke schon nach 6 Tagen abgesegelt. Noch 1000sm und auf Barbados wird die deutsche Flagge gehisst.

 

17.01.2015 Der Wind lässt nach, Wellen  haben nur noch eine Höhe von 2 m. Für unseren Parasailor aber noch zu viel von beidem. Große Felder Seetang, teilweise blühend, die wir durchsegeln, legen sich, trotz laufender Reinigung, um den Watt & Sea und verhindert somit die reibungslose Energieproduktion.

18.01.2015 Toller Tag!! Wind 8-24kn, Parasailor-Wetter.  Wir fliegen so dahin und genießen den Mix  von Sonne-Wolken-Sprühregen und Scharen von Fliegenden Fischen über die blauen Wellen bei 28°. Mit dem Parasailor ist das der erste, ruhig dahingleitende Segeltag.  Nachmittags besucht uns eine Schule  Pilotwale. Die 5-8 Wale nehmen uns in die Mitte und wir fühlen uns zur Armada zugehörig, allerdings über Wasser. Einige Wale ziehen ihre Bahnen, andere finden Infinity sehr interessant, schwimmen unter sie durch und um sie herum. Ein ganz anderes Feeling als die quirligen Delphine – majestätischer. DAS IST SEGELN.

Der Tag endet, indem ich Torsten, der gerade eingeschlafen ist, um 20:00 wecken muss. Der Wind ist fast weg, es regnet in Strömen, der Parasailor klebt am Vorstag. Schnell bergen wir ihn, lassen ihn so nass wie er ist durch die Luke in die Bugkabine fallen.

20.01.2015 Heute Nacht mal keine Squalls, dafür einen fantastischen Nachthimmel – sternenklar und 25° warm. Wie die Nächte zuvor müssen wir den Motor 1,5 Stunden laufen lassen, um die Batterien zu laden. Der W&S wird von uns mindestens alle halbe Stunde von den Algen befreit, die sich um Propeller und Gerät legen. Wo kommen diese riesigen Algenteppiche her? Vielleicht lassen sie sich als Gemüse zubereiten?

24.01.2015 11:30 Land in Sicht – Barbados! Langsam kommt doch so etwas wie Nervosität auf. Rasmus meint es heute gut mit uns und bläst mit 10-30kn. Wir segeln Schmetterling und können das schlechte Etmal von gestern wieder etwas ausgleichen. Ab ca. 5sm vor Port St. Charles rufen wir den Port über UKW, bekommen aber keine Antwort. Die „SY Ocean Hobo“ meldet sich und teilt uns mit, dass schon alles geschlossen ist und wir ruhig eine Nacht vor dem Hafen ankern dürfen und dann morgen einklarieren.

So lassen wir um 1730 den Anker fallen, Hille macht etwas Schönes (wie immer) zu essen. Dazu lassen wir den Sektkorken knallen, bedanken uns bei unserer einzigartigen, fabelhaften Infinity, unseren Schutzengeln und genießen den erfolgreichen Abschluss der Atlantik-Überquerung.

Die Überfahrt in Zahlen:
Reisedauer: 14 Tage, 7 Stunden und 25 Minuten
Distanz: Logge – 1864,2sm; GPS – 2120,3sm;
Gesamtdurchschnitt: Geschwindigkeit – 6,17kn, Etmal – 148sm
Etmal: höchste – 177,8sm; niedrigste – 118,6sm
höchste Windgeschwindigkeit: 44kn
Fliegende Fische: gerettet: 7; beerdigt: 21

 

Was wir uns anders vorstellt hatten:

  • ...das der Wind konstanter und nicht so stark weht (die erste Woche)
  • …das es wärmer ist, die erste Woche war nur mit langer Hose und Jacke auszuhalten

  • …das der Atlantik ab der zweiten Hälfte stark „verkrautet“ ist, d.h. sehr viel Seetang in langen Streifen oder großen Feldern an der Oberfläche schwimmt, sodass der Watt & Sea pro Tag ca. 50 mal entkrautet werden musste.

  • ...uns der Saharasand soweit auf See verfolgt.
  • …die Squalls nicht so bösartig waren, der Regen und auch der Wind waren durchaus gut händelbar. Wir sind nachts immer (bis einen Versuch mit dem Parasailor, den wir dann im Dunkel und im Regen bergen mussten), mit gerefften Groß (2. oder 3. Reff) und Genua gesegelt.

  • …die Wellenberge zum Teil hoch waren (geschätzt 5-6m), Infinity aber keine Probleme hatte. Nur einmal ist etwas Wasser in das Cockpit eingestiegen.

  • …der Wind doch mit Stärke 5-6 wehen sollten, damit die Segel bei der Dünung nicht schlagen.

  • …der Niederhalter vom Watt & Sea sechs Mal reparieren mussten, weil er (trotz Dyneema) gerissen ist.

  • …das man so wenigen Schiffen begegnet, vier Frachte und drei Segler. Das uns ein Frachter, wenn er den Kurs nicht geändert hätte, bestimmt mitten auf dem Atlantik getroffen hätte (AIS zeigte als Minimalabstand 45m an).

  • ...die Segeltage mit dem Parasailor, die himmlisch waren, so wenig waren. Infinity fuhr wie auf Schienen, das Rollen war fast gänzlich weg und wir haben trotz der geringen Windstärke, gute Fahrt gemacht.
  • …das wir die gesamte Überfahrt guten Strom (ca. 0,7kn) mit hatten.

  • …die Lagerung von den frischen Lebensmitteln nicht so einfach ist. Die Bananen sind schwarz geworden, die Avocados nur halb reif, die Maracuja schnell überreif.

  • …das ich (Hille) unter Deck wie ein Punchingball hin und her geschleudert werde – echt hammerhart und viele blaue Flecke.

  • …ich (Torsten) mindestens drei große Fische angeln wollte. Aber in der ersten Woche waren wir, Starkwind bedingt, so mit uns und der Yacht beschäftigt, dass wir keine Zeit, Lust und Muse dazu hatten. In der zweiten Woche fehlte die Unterstützung durch den First Mate, der alle Fische gewahr schauert hat und keinen Dreck an Bord haben wollte. Wir hatten wahrscheinlich zu viele Lebensmittel an Bord und waren nicht auf den Fisch angewiesen - vielleicht klappt es beim nächsten Mal.

  • …die Ankunft ergreifender war, als vorgestellt. Die Umstellung auf einmal wieder auf die Wassertiefe und Betonnung achten zu müssen.

 

 

Wer an der Küste bleibt, kann keine neuen Ozeane entdecken. 

Ferdinand Magellan

 

Wir haben ihn endlich mit der Kamera erwischt - unseren Blinden Passagier aus Australien. Er ist mittlerweile groß geworden und wir hoffen, dass er noch einige Zeit bei uns bleibt.

Aussi - unser neuer Talisman